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Starke Frauen in Brig – Die Geschichte des Elisabethenvereins
02.02.2023 Chantal Seiler-Kenzelmann
2012 wurde dem Geschichtsforschenden Verein Oberwallis eine Truhe mit Dokumenten des Elisabethenvereins von Brig überreicht. Zuvor hat während Jahrzehnten das Ehepaar Alfred und Elisabeth Escher-Perrig aus Glis die zunächst ihnen anvertrauten Akten und Unterlagen sorgfältig aufgehoben. Die Aufarbeitung der verwahrten Quellen zeugt von der regen Vereinstätigkeit des in der lokalen Fürsorge tätigen Frauenvereins:
Am 4. März 1860 versammelten sich gut situierte Damen aus Brig im Burgerhaus und gründeten auf Anregung des Ortspfarrers den örtlichen Elisabethenverein. Erklärtes Ziel der Frauen war es, arme Schulkinder, Kranke und Bedürftige durch wohltätige Hilfe zu unterstützen. Der Verein wurde unter den Schutz seiner Patronin, der Hl. Elisabeth von Thüringen, «Freundin der Armen», gestellt. In den folgenden Jahren übernahmen die Vereinsmitglieder vielseitige Aufgaben in den Bereichen Jugendfürsorge, Armen- und Krankenpflege. Sie organisierten das traditionelle Christbaumfest, schöpften die Schulsuppe, unterstützten die Armen der Gemeinde und besuchten Kranke. Einmal wöchentlich trafen sich die Frauen zum gemeinsamen Stricken und Nähen oder um sich untereinander auszutauschen.
Bei der Gründung des wohltätigen Vereins spielten die historischen Rahmenbedingungen im Wallis eine bedeutende Rolle. Geografische Besonderheiten, wirtschaftliche Umwälzungsprozesse und politische Turbulenzen prägten die Lebensumstände der Walliser Bevölkerung im 19. Jahrhundert entscheidend. Aufgrund der um sich greifenden Verelendung vieler Bevölkerungsteile nahmen sich bürgerliche Kreise vermehrt der Sozialen Frage und der Ärmsten der Region an. Frauen spielten dabei eine treibende Rolle, indem sie in Ergänzung der traditionellen Armenpflege auf Ermutigung der Kirche hin in Brig den Elisabethenverein gründeten und freiwillige karitative Aufgaben in der Gemeinde übernahmen. Es waren hauptsächlich wohlhabende Frauen aus alteingesessenen Familien, die sich zum Ziel setzten, Bedürftige auf Gemeindegebiet zu unterstützen. Dazu gehörten illustre Namen wie von Stockalper, Guglielminetti, Perrig, Willa, Theiler, Bürcher, Roten, Cathrein, Fruzzini, Wegener u.a.
Die überlieferten Diskussionen zeigen, dass die Frauen für Ihre wohltätige Arbeit meist Dank ernteten, aber durchaus auch kritisch beurteilt wurden. Die Mitarbeit im Verein diente manchen Mitgliedern zur idealisierenden Selbstinszenierung und galt als Ausdruck von Standesbewusstsein. Nicht zu unterschätzen war daneben das gesellige Element des Vereins, man denke etwa an die Jubiläumsfeiern und die Vereinsausflüge, die eine positive und einigende Wirkung auf die gemeinsamen Aktivitäten ihrer Mitglieder hatten. Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten verkauften die Brigerinnen Handarbeiten, sie organisierten Wohltätigkeitsanlässe und Lottos. Darüber hinaus erhielt der Verein grosszügige Spenden aus den eigenen Reihen und von lokalen Geldgebern. Zusätzlich unterstützte die Stadt Brig den Verein materiell, zeigte sich seinen Bestrebungen gegenüber meist wohlwollend und nahm damit Anteil an seiner Entfaltung.
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts veränderte sich das wirtschaftliche, politische sowie gesellschaftliche Umfeld des Elisabethenvereins massiv. Die zunehmende Professionalisierung der sozialen Arbeit, der schleichende Abbau von Tätigkeiten des Vereins und die schwindende Mitgliederschar besiegelten sein Schicksal nach 1960.
In einer Zeit, bevor die öffentliche Hand Lösungsansätze für die Soziale Frage bieten konnte, leisteten starke Frauen aus Brig einen bedeutenden Beitrag zur öffentlichen karitativen Armen- und Krankenpflege und halfen damit, Missstände zu beseitigen und vielerorts die Not zu lindern.
Elisabethenverein von Brig.pdf (1815.ch) Publikationen | Stiftung Stockalperschloss (stockalperstiftung.ch)